Die Stimme des Abschieds
Als Trauerrednerin ist es Ursula Rüthys Aufgabe, die passenden Worte zu finden, um verstorbene Menschen zu würdigen und den Hinterbliebenen Trost zu spenden. Sie erzählt, warum der Beruf sie erfüllt und in welchen Momenten er herausfordernd wird.
Die meisten Menschen sprechen ungern über den Tod. Gedanken an das eigene Ende oder den Verlust geliebter Menschen blendet man weitgehend aus. Für Ursula Rüthy hingegen gehört der Tod zum Alltag: Als Bestatterin und Trauerrednerin ist sie täglich damit konfrontiert. Ihren Einstieg in dieses Berufsfeld fand sie 2022 als Bestatterin bei Egli Bestattungen in Bern. Die Themen Sterben und Tod waren ihr jedoch bereits aus ihrer vorherigen beruflichen Laufbahn vertraut. Über 20 Jahre arbeitete sie als Pflegefachfrau in einem Alters- und Pflegeheim, und schon während ihrer Ausbildung hatte sie die erste bewusste Begegnung mit Bestattern. «Seitdem war ich fasziniert von diesem Beruf, und beeindruckt von den Menschen, die ihn ausüben», erzählt die 41-jährige. Durch ihre langjährige Tätigkeit in der Pflege hat sie gelernt, sich abzugrenzen, was ihr als Bestatterin im Umgang mit dem Tod Sicherheit gibt und Berührungsängste nimmt. In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen eine Alternative zu einer religiösen Zeremonie mit einem Pfarrer wünschen, wächst die Nachfrage nach Trauerrednerinnen und Trauerredner. Sie leiten die Trauerfeier, halten eine persönliche Rede über das Leben der verstorbenen Person und integrieren dabei oft auch spezifische Wünsche der Familie, wie Musik oder Gedichte. «Als Bestatterin habe ich oft Trauerreden begleitet und dabei den Wunsch verspürt, diese Aufgabe selbst zu übernehmen», erzählt Ursula Rüthy. Vor 1.5 Jahren entschloss sie sich daher, eine Weiterbildung zur Trauerrednerin zu absolvieren.
Fingerspitzengefühl und Flexibilität
Seitdem nimmt Ursula Rüthy nicht nur die verschiedenen Aufgaben als Bestatterin wahr, sondern schlüpft auch immer wieder in die Rolle der Trauerrednerin. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit besteht darin, ausführliche Gespräche mit den Hinterbliebenen zu führen, um ein Gefühl für die besonderen Eigenschaften und das Leben der verstorbenen Person zu bekommen. Weil jede Geschichte und jede Familie anders ist, braucht es dafür eine grosse Portion Einfühlungsvermögen und Flexibilität. Manchmal erhält Ursula Rüthy auch einen Lebenslauf mit den einzelnen Stationen der verstorbenen Person. Gewisse Eckdaten sind zwar hilfreich, aber damit eine lebendige Rede entsteht, versucht sie immer, authentische Geschichten einzuflechten. «Dafür frage ich die Hinterbliebenen, was die Person ausmachte, welche besonderen Erinnerungen sie haben oder ob es Anekdoten gibt, die man sich immer wieder erzählt hat», erklärt Ursula Rüthy. Besonders wertvoll ist es für sie, wenn sie die verstorbene Person bereits als Bestatterin vom Sterbeort abholen konnte oder die Familie für das Gespräch später zu Hause besuchen kann. «Wenn ich sehe, wie und wo der verstorbene Mensch gelebt hat, kann ich mir ein viel besseres Bild von der Person machen», sagt die zweifache Mutter.
Zwischen Trauer und Freude
Ein besonderes Anliegen von Ursula Rüthy ist es, eine gewisse Leichtigkeit in die Trauerfeier und die Rede einzubringen. «Es muss nicht alles nur düster und schwarz sein. Auch lustige Geschichten haben ihren Platz, und es ist wichtig, dass man schmunzeln oder sogar lachen darf», sagt sie. Besonders wenn Kinder unter den Anwesenden sind, versucht sie, die Abschiedsrede aufzulockern, und gibt den Kindern dafür Seifenblasen oder Ballons in die Hand. So entstehen auch berührende Momente, wie bei der Beerdigung eines Familienvaters, als ein Junge seinen Ballon steigen liess. Als dieser aus seinem Blickfeld verschwand, sagte er: «Jetzt hat Papi ihn genommen.» Um ein möglichst authentisches Bild der verstorbenen Person zu vermitteln, dürfen auch schwierige Themen angesprochen werden. Ursula Rüthy behandelt solche Angelegenheiten gerne so subtil, dass die Angehörigen zwischen den Zeilen lesen können, ohne dass es zu direkt oder verletzend wirkt. Besonders gelungen ist eine Trauerrede für sie, wenn die Angehörigen sich durch die Rede für einen Moment lebendig an die verstorbene Person erinnern können. «Das schönste Kompliment ist für mich, wenn die Hinterbliebenen sagen, es sei gewesen, als hätte ich die Person gekannt.»
Bereicherndes und Belastendes
In ihrer Tätigkeit als Bestatterin und Trauerrednerin übernimmt Ursula Rüthy meistens auch einen Teil der Organisation einer Trauerfeier. Dabei ist es ihr wichtig, eine Verbindung mit der verstorbenen Person zu schaffen und den roten Faden zu finden. «Eine verstorbene Frau liebte Orchideen, deshalb brachte ich welche mit und die Anwesenden durften mit den Blättern gemeinsam einen Kreis um die Urne legen», erzählt Ursula Rüthy. Wenn der Wunsch da ist, kann die Trauerfeier auch an einem speziellen Ort stattfinden. Ein junger Mann wurde beispielsweise an der Aare verabschiedet, da er einen speziellen Bezug zum Wasser hatte. «Die Hinterbliebenen setzten zum Abschluss alle ein Holzbrett mit einer Kerze auf den Fluss und schickten dieses für ihn auf die Reise», erzählt Ursula Rüthy. Bei einem Todesfall ist es für die Hinterbliebenen hilfreich, wenn die verstorbene Person bereits vorgängig festgehalten hat, was sie sich für die Trauerfeier wünscht.
Das schönste Kompliment ist für mich, wenn die Hinterbliebenen sagen, es sei gewesen, als hätte ich die Person gekannt.
In einem Sterbevorsorgevertrag kann beispielsweise notiert werden, wie man sich die Feier vorstellt und was einem wichtig ist. So müssen sich die Angehörigen in der Zeit des Trauerns nicht um diese Details kümmern. «Zudem kann man den Vertrag im Voraus bezahlen, was den Hinterbliebenen zusätzliche Sorgen abnimmt», weiss Ursula Rüthy. Für die Trauerrednerin ist der Tod allgegenwärtig. Manchmal gibt es aber auch für sie schwierige Momente: «Wenn sich die Hinterbliebenen umarmen und Trost spenden, kommen mir jeweils fast die Tränen. Dennoch ist dieser Beruf sehr bereichernd, weil ich die Menschen in ihrem Trauerprozess begleiten darf.»