Neue Rebsorten aus Bern
Seit 2017 kultiviert Matthias Rindisbacher Wein auf Stadtberner Boden. Zwei Jahrgänge konnte er seitdem produzieren. Doch wie haben seine Reben diesen nassen Frühsommer überstanden? Wir haben den Winzer in seiner Manufaktur besucht und nachgefragt.
Durch die hohe Glasdecke fallen Sonnenstrahlen in den Raum. Sie tauchen Fässer und Tische der Weinmanufaktur Rindisbacher in ein warmes Licht. Matthias Rindisbacher steht etwas verschwitzt, in Arbeiterhose und einem schwarzen T-Shirt mitten in seiner Kellerei im Kirchenfeld-Quartier. «Ich war bis eben noch auf dem Traktor auf dem Rebberg im Wyssloch und habe die Zeit vergessen», entschuldigt sich Rindisbacher. Er hat viel zu tun mit den 7000 Rebstöcken beim Zentrum Paul Klee: Die überzähligen Triebe müssen zurückgeschnitten werden. Eine Arbeit, die normalerweise schnell erledigt ist. Dieses Jahr aber, sind die ersten Triebe im April wegen Frost erfroren und dann viel zu stark nachgewachsen. «Das gibt uns jetzt mehr Arbeit als üblich und dauert daher länger», erzählt der 69-jährige, während er ein weisses Tischtuch über den langen Tisch in der Mitte des Raumes ausbreitet. Er erwartet Besuch für eine Degustation.
Die Reben und der Regen
Im Herbst 2022 konnte Matthias Rindisbacher die erste Ernte aus dem Wyssloch einfahren. Der erste Jahrgang des Berner Weins kam ein halbes Jahr später auf den Markt und verkaufte sich wie warme Weggli. «Ich habe an nur einem Wochenende fast die ganze Ernte verkauft.» Schliesslich war es seit 400 Jahren auch der erste Wein, der ausschliesslich in der Stadt Bern produziert worden ist. Bis dahin brauchte es viel Geduld und Beharrlichkeit. Frost, der echte Mehltau und Trockenheit machten den Reben zunächst zu schaffen. Dieses Jahr war für den Winzer wiederum herausfordernd wegen des Frosts. Zusätzlich erschwerte die Nässe die Arbeit in den Reben und erhöhte das Risiko von Pilzkrankheiten. «Ende Oktober wird geerntet, dann werden wir sehen, wie viel Berner Wein wir dieses Jahr produzieren», sagt Matthias Rindisbacher, der in Seftigen und im Tessin weitere Weinberge besitzt. Nach den zahlreichen Rückschlägen gibt es Tage, an welchen er ins Grübeln kommt und die Arbeit mit den Reben hinterfragt. Dieses Jahr wird seine Manufaktur 20 Jahre alt. Dass er selber hingegen etwas älter als 20 Jahre ist, spürt er körperlich. Daher mache er sich ab und an schon Gedanken über seine Nachfolge. «Aber wenn man dann im Herbst den Wein aus den vollen Fässern probiert und merkt, dass dieser sich gut entwickelt, sind alle Mühen vergessen. Das ist ein irrsinniges Gefühl», sagt Rindisbacher mit einem Leuchten in den Augen und stellt zwei Flaschen Weisswein auf den Tisch.
Verstörend, mit knackiger Säure
«Troublant», steht auf der Etikette mit einem grossen Loch in der Mitte. Ein Wortspiel: Das französische Wort «verstörend» klingt laut ausgesprochen wie «Trou blanc», auf Berndeutsch eben «Wyssloch». «Die Idee für diesen Namen stammt von meiner Partnerin, die als Betriebsleiterin für die Rebbau Genossenschaft Spiez arbeitet und meine Leidenschaft für den Weinbau teilt», erklärt Rindisbacher. Mittlerweile ist die Gruppe für die Degustation eingetroffen und nach einer kurzen Begrüssung haben sich die Gastronomen um den Tisch versammelt. Der Winzer öffnet die erste Flasche.
«Die Rebsorte ist neu und heisst «Sauvignac», es ist eine Kreuzung zwischen Sauvignon blanc und Riesling, beide Rebsorten bringen eine knackige Säure»
Der Zapfen ploppt und der Wein perlt in hellgelber Leichtigkeit in die Gläser. «Die Rebsorte ist neu und heisst «Sauvignac», es ist eine Kreuzung zwischen Sauvignon blanc und Riesling, beide Rebsorten bringen eine knackige Säure», so Rindisbacher. Rund 6000 Flaschen «Troublant» des zweiten Jahrgangs hat er diesen Frühling abgefüllt. Dazu kommt eine kleine Menge, etwa 400 Flaschen «Troublant Amphore». Für diesen Wein hat der Winzer eine besondere Methode angewandt. Er hat einen Teil des gepressten Saftes zusammen mit einem Drittel der Maische – das bedeutet den gequetschten Beeren – fermentiert. Danach hat er den Wein ohne Filtration und ohne Schwefelzusatz abgefüllt.«Durch die gequetschten Beeren, die man mitgären lässt, erhält der Wein eine andere Aromatik und den Charakter eines Orangeweins», so Rindisbacher. Die Degustationsgruppe hört ihm aufmerksam zu und nickt beim Probieren anerkennend. Die Spucknäpfe bleiben leer.
Weine für Kennerinnen und Liebhaber
Die Weine der Manufaktur Rindisbacher, einschliesslich des «Troublant» aus dem Wyssloch, sind nicht für Kreti und Pleti bestimmt. Zur Kundschaft gehören vor allem Menschen, die ein echtes Interesse an Wein haben und bereit sind, dafür den entsprechenden Preis zu zahlen. Matthias Rindisbacher hatte nie das Ziel, möglichst viele Restaurants zu beliefern. «Ich verkaufe lieber an Lokale, die eine gepflegte, gut kuratierte Weinkarte anbieten», sagt der Winzer, der vor dem Weinbau als Architekt tätig war. Optisch erinnert nur noch seine präzise Hornbrille an seine frühere Berufung. Seine Hände sind gegerbt, die Arme gebräunt von der Arbeit im Freien. Trotzdem vergleicht Rindisbacher auch heute noch gerne seine beiden Berufe. «Schon bei meinen Bauprojekten legte ich Wert darauf, für Bauherren zu arbeiten, die sich für Architektur interessierten. Glücklicherweise konnte ich meine Projekte immer nach diesem Kriterium auswählen; vielleicht habe ich deshalb nun als Winzer denselben Anspruch», meint er. Finanziell unterscheidet sich der Rebberg deutlich von seinem Architekturbüro. Der Weinbaubetrieb ist ein emotionales Projekt und weniger eine profitable Unternehmung – auch wenn er im Laufe der Jahre stetig gewachsen ist. «Die meisten meiner Einnahmen investiere ich wieder in die Manufaktur», berichtet Matthias Rindisbacher und zeigt auf Fässer, Weinpresse und Filteranlagen im Raum. Matthias Rindisbacher räumt einige Gläser weg und verschwindet im Keller und die Gruppe der Degustierenden diskutiert untereinander über Wein und sein, während die letzten Sonnenstrahlen dieses Spätsommertags in die Manufaktur fallen.